Das Reiseblog-Update zu Interrails 50. Geburtstag 2022.
Ursprünglich habe ich die Interrail-Artikelserie Interrail – Die Erste, Interrail – Die Zweite und Interrail – Die Dritte im Jahr 2010 zum 25. Jahrestag meiner ersten Interrailreise 1985 veröffentlicht.
Donaueschingen – Schaffhausen – Zürich – Sargans – Schwarzach/St. Veit – Ljubljana – Zagreb – Thessaloniki – Alexandropolis – Pithion – Istanbul – Pithion – Thessaloniki – Paleofarsalos – Kalambaka – Meteora – Parleofarsalos – Bralos – Delphi – Levadia – Athen – Piräus – Ägina – Angistri – Ägina – Methanon – Epidauros – Nafplion – Arghos – Korinth – Diakopton – Kalavrita – Diakopton – Pirghos – Olympia – Pirghos – Patras – Brindisi – Tarent – Reggio di Calabria – Messina – Catania – Nikolosi – Ätna – Belpasso – Catania – Syrakus – Mailand – Zürich – Schaffhausen – Donaueschingen
Donaueschingen – Schaffhausen – Zürich – Bern – Brig – Andermatt – Disentis – Chur – Zürich – Schaffhausen – Donaueschingen
Donaueschingen – Paris – Straßburg – Paris – Straßburg – Kehl, Offenburg – Donaueschingen
10490 Kilometer
Während meine erste Interrail-Reise wettertechnisch fast alles bot, von Dauerregen in Schottland bis Sonnenbrand an der Adria, war die zweite Auflage eher ein kühles Unterfangen – wie man es in Skandinavien irgendwie auch erwartet. Die dritte Europa-Tour im Zug im Sommer 1988 war das komplette Gegenteil davon, es war einfach nur heiß. Griechenland erlebte Temperaturen von fast 40 Grad.
Das wichtigste Gepäckstück ist neben dem Fotoapparat der wirklich geniale Europafahrplan der Bundesbahn mit allen wichtigen europäischen Zugverbindungen außerhalb Deutschlands.
Aber der Reihe nach. Bei meinen ersten beiden Interrail-Touren hatte ich schon viele Teile Europas durchstreift. Ich war ganz im Norden, viel im Westen und in Italien. Der Osten – wir befinden uns in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts – war, wenn überhaupt, nur relativ schwierig zu bereisen, schon gar nicht mit den Möglichkeiten eines Interrail-Tickets (Ausnahmen bestätigen auch hier wiedermal die Regel, wie man gleich sehen wird). Was noch blieb waren der Südosten und Südwesten Europas. Der Südwesten mit der iberischen Halbinsel schien mir damals nicht so reizvoll, in Portugal war ich, wenn auch kurz, im Frühjahr des gleiches Jahres. Und Spanien verlangte für viele Züge Zuschläge, was es auch nicht sehr verlockend machte. Der Südosten, der Balkan, war aber noch völliges Neuland.
Jugoslawien – das es damals noch gab – gehörte zwar zum Ostblock, spielte aber nicht nur politisch seine eigene Rolle, sondern war auch Mitglied im Interrail-Verbund. Dorthin sollte es als erstes gehen. Start in Schaffhausen, kurz hinter der deutschen Grenze, nicht weit weg von Donaueschingen.
Durch die Schweiz und Österreich finden wir – auf dieser Reise begleitete mich ein Studienfreund – den Weg nach Zagreb. Die heutige Hauptstadt Kroatiens gibt zwar keinen offensichtlichen Anlass, aber irgendwie herrscht doch ein gewisser Respekt vor dem „Osten“. Eine Art von Gefühl, das mich auch auf späteren Reisen immer mal wieder beschleicht, das aber fast immer – wenn man dann mal dort ist – völlig unbegründet ist.
Von Zagreb geht es auf langer Fahrt quer durch Jugoslawien nach Griechenland. Eine recht angespannte Zugfahrt. Unter Interrailern kursieren Geschichten über Überfälle und ähnliches auf diesem Streckenabschnitt. Uns passiert aber nichts.
Erster Halt in Griechenland ist Thessaloniki.
Der Norden Griechenlands bildet ein schmaler Streifen entlang des Ägäischen Meeres. Diesen durchqueren wir in östlicher Richtung und machen dabei einen Badestopp in Alexandroupoli. Da ich dazugelernt hatte, legte ich mich unter einen großen Sonnenschirm, bevor ich am dortigen Strand einschlief. Als nicht gerade kleiner Mensch ragten aber meine Füße darunter hervor…
Auf der Oberseite meiner Füße holte ich mir einen ausgewachsenen Sonnenbrand. Das Tragen von Schuhen war eine einzige Qual. Es half alles nichts, die Reise musste ja weitergehen. Und als nächstes stand Istanbul auf dem Programm. So lief ich die nächsten zwei Tage barfuß durch Istanbul. Das war – erstaunlicherweise – auch weitestgehend kein Problem, nur Wege, die den ganzen Tag schattenlos waren, galt es lieber zu meiden…
Istanbul – eine unglaublich vielseitige und aufregende Stadt – bot auch eine Neuerung in meinem Interrailleben: Die bezahlte Übernachtung. Sinnvolle Nachtzüge nach irgendwohin und zurück gab es nicht. Und der kleine Bahnhof bot auch keine brauchbaren Ecken. Zu dritt teilten wir uns ein Zimmer in einer sehr einfachen Unterkunft.
Istanbul bot noch eine zweite Neuerung in meinem Leben: Das erstmalige Verlassen Europas. Ohne viel Aufwand fährt man mit der Fähre über den Bosporus und schon ist man in Asien!
Von Istanbul geht es auf dem gleichen Weg erstmal wieder zurück. Am frühen Morgen überqueren wir die türkisch-griechische Grenze.
Die meisten Bahnstrecken in Griechenland sind Ende der 1980er Jahre noch nicht ausgebaut. So dauern alle Fahrten eine gefühlte Ewigkeit. Für den Weg von Istanbul nach Kalambaka – Luftline rund 640 Kilometer sind wir zwei Nächte und einen ganzen Tag unterwegs. Überfüllte Züge. Und Stehklos – aus hygienischen Gründen kann man in einem Stehklo ja auch Vorteile sehen, wenn aber der Zug – trotz oder vielleicht gerade wegen seiner unendlichen Langsamkeit – ständig durchgerüttelt wird, sind diese eine wahre Herausforderung. Und entsprechend sahen sie aus. Dazu die Hitze. Der Versuch in der Gepäckablage zu schlafen, scheitert kläglich. Dort ist es noch wärmer.
Und wo ist Kalambaka? Es liegt am Fuße der Metéora-Klöster, Klöster, die sich auf der Spitze von steil-aufragenden Felsen befinden. Früher konnten diese nur über abenteuerliche Seilwinden erreicht werden. Im öffentlichen Bus, der die Touris zu den Klöstern bringt, herrscht Arbeitsteilung: Es gibt den Fahrer, es gibt den Fahrkartenverkäufer. Und es gibt den Fahrkartenkontrolleur, der die Fahrkarten, die sein Kollege gerade verkauft hat, wieder einsammelt. Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm auf griechisch.
Von Kalambaka weiter in Richtung Delphi. Nur nicht nach Fahrplan (der auch – wenn nicht gerade „Drähn kabut“ – höchstens eine Absichtserklärung darstellt). Irgendwann kommt ein Zug. Zuckeln bis Paleofarsalos (im Frühjahr 2008 – fast genau 20 Jahre nach meinem ersten Besuch – staune ich Bauklötze, als ich im Rahmen einer Balkanrundreise wieder zu den Metéora-Klöstern komme, und einen durchgehenden Intercity nach Athen auf den Bahnhofsgleisen Kalambakas sehe). Warten. Weiterzuckeln in Richtung Süden. Außerplanmäßiges Ende in Bralos. Waldbrände verhindern die Weiterfahrt. Es ist schon später Abend. Zu fünft nehmen wir ein Taxi nach Delphi. Am Taxi funktioniert nur das Fernlicht. Kommt ein Auto entgegen, schaltet der Fahrer „zur Sicherheit“ das Licht ganz aus…
In Delphi kommt zum ersten Mal eine weitere Internet-Neuheit zum Einsatz: Die Isomatte. Zwischen ein paar Bäumen unweit des Einganges zum Ausgrabungsgelände breite ich sie aus und schlafe so gut, dass ich erst durch anrückende Besucher am Morgen mit ihren Unterhaltungen geweckt werde.
Abends mit dem Bus nach Levadia. Die Nacht auf dem Bahnhof. Mit dem ersten Zug am Morgen in die griechische Hauptstadt Athen.
Athen finde ich enttäuschend. Es gibt die interessanten antiken Ruinen, Akropolis und Agora beispielsweise. Und dann? Die Stadt scheint danach in einen Jahrtausende langen Schlaf gefallen zu sein. Nicht wie Rom – die andere große Stadt der europäischen Antike -, die heute Sehenswertes aus vielen Jahrhunderten der Geschichte bietet.
Im Vorort Dafni besuchen wir ein „Weinfest“. Nur dass außer uns nicht allzu Leute dort sind. In einer abenteuerlichen Busfahrt – die Straßen Athens sind erstaunlich leer, was den Busfahrer zu einer Formel-1-mäßigen Fahrt anregt – geht es am frühen Abend nach Piräus. Dort nächtigten wir in einer einsamen Ecke des Hafens.
Mit der ersten Fähre geht es am nächsten Morgen mit einem Zwischenstopp auf Ägina zu der kleinen Insel Angistri, wo wir einen Badetag einlegen.
Wieder mit der Fähre geht es jetzt weiter auf den Peloponnes. Von Methana nehmen wir einen Bus nach Epidauros, um das dortige Theater zu besichtigen.
Auch von Epidauros aus geht es wieder mit dem Bus weiter, einen Zug gibt es erst wieder ab Argos.
Eine besonders interessante Bahnstrecke führt von Diakopto nach Kalavrita. Mit der Zahnradbahn geht es durch die Vouraikos-Schlucht in die Bergwelt von Kalavrita und anschließend wieder zurück.
Letzter Programmpunkt in Griechenland ist das antike Olympia. Wie so oft gibt es auch hier keine Nachtzüge. Übernachtet wird entweder auf dem Bahnhof oder einfach irgendwo, der Isomatte sei Dank!
Tagsüber sind die Züge meist voll, man ist froh, überhaupt einen Platz zu bekommen.
Dieses Bild war eines von drei Gewinnerbilder eines Wettbewerbes, den GEO Saison zu ihrem 20-jährigen Bestehen durchführte. In diesem Wettbewerb suchte die Zeitschrift Bilder aus ihrer Gründungszeit.
Mit der Fähre ging es über die Adria von Patras ins italienische Brindisi. Die Fähre ist auch der Grund für die blaue Farbe des Interrail-Tickets. Mit der Option „+ Schiff“ durfte man nicht nur alle nicht-deutschen Züge nutzen, auch bestimmte Fähren waren damit kostenlos.
Auf dem Weg von Brindisi nach Sizilien machen wir einen Zwischenstopp in Tarent
Bevor wir nach Sizilien übersetzen können, verbringen wir die Nacht auf dem Bahnhof von Reggio Calabria. Morgens die Fähre nach Messina. Sizilien!
Zug nach Catania. Nicht, dass ich mir Catania anschauen wollte. Nein, das Ziel ist der Ätna. Auf der Suche nach einer Fahrgelegenheit, die uns Richtung Gipfel bringen soll, geraten wir in eine merkwürdige Situation. Erst später wird uns bewusst, dass wir übers Ohr gehauen werden sollten (was den Betrügern aber nicht gelingt, weil uns schlichtweg das nötige „Kleingeld“ fehlte). Mit einem Bus gelangen wir schließlich in höhere Regionen des Ätnas, allerdings noch weit weg vom Gipfel. Dort laufen wir noch stundenlang über die Weiten der Lavafelder.
Abends kommen wir per Anhalter und einem Bus zurück nach Catania, fahren von dort mit dem Zug nach Syrakus. Leider macht der Bahnhof in Syrakus über Nacht zu, so dass wir uns zu mitternächtlicher Stunde noch eine Unterkunft suchen müssen.
Die Fahrt von Syrakus, beginnend am nächsten Abend, in Richtung Norden war dann eine äußerst merkwürdige. Eine im Mülleimer des Toilettenabteiles gefundene Handtasche, die erst niemand vermisst, dann aber doch jemandem gehört. Und das Schussloch im Fenster! Mitten in der Nacht schrecken wir durch ein Geräusch auf. Die äußere Scheibe des Abteils hat ein Loch. Es war wohl nur die Kugel eines Luftgewehrs. Aber richtig ruhig kann man danach auch nicht mehr schlafen…
Mailand ist die letzte Station der „Hauptreise“, viel Zeit für die Besichtigung der Stadt bleibt allerdings nicht mehr, da der Syrakus-Zug nicht nur seltsame Ereignisse mit sich brachte, er hatte auch mehrere Stunden Verspätung.
Am Nachmittag geht es durch die Schweiz zurück nach Hause.
Die Schweiz selbst befahren wir dann noch in einer Tagestour, nutzen dazu unter anderem den Glacier-Express von Brig nach Chur.
Paris, schon Ziel der ersten beiden Interrail-Reisen kommt auch bei dieser Tour noch auf den Reiseplan. An einem Wochenende – Freitag auf Samstag hin, Sonntagabend zurück – ist es das letzte Ziel dieser Reise.
Nicht nur diese Interrail-Tour ist damit vorbei, auch die Interrail-Zeit insgesamt ist für mich jetzt zu Ende (oder vielleicht doch nicht? Inzwischen gibt es das Interrail-Ticket ja für jede Altersklasse…), die Zeit der großen Bahnreisen fast auch. Nur noch ein gelegentliches Aufflackern, aber nicht mehr in Europa.
Mehr – meistens aktuellere – Bilder zu den besuchten Ländern gibt es unter den folgenden Links:
- Jugoslawien,
- Griechenland,
- Türkei,
- Italien,
- Schweiz und
- Frankreich.
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