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Träume

März 2011. Meine Reisepläne für dieses Jahr stehen mehr oder weniger. Eine Reise an das (und in das) östliche Mittelmeer, eine Tour ins Baltikum, ein paar Städtereisen.

Trotzdem – oder vielleicht auch deswegen? – schweifen meine Gedanken schon über 2011 hinaus.

März 2002. Bangkok. Eine letzte Bootsfahrt über den Chao Praya. Den Rücksack ein letztes Mal packen. Mitten in der Nacht zum Flughafen. Abschiedsschmerz. Meine wohl ungewöhnlichste Reise geht zu Ende. Fünf Monate unterwegs, fünf Monate quer durch Südostasien. An jedem Tag gab es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, man bleibt am gleichen Ort oder man fährt weiter in den nächsten. Bleibt man, hat man meist Pläne für ein (Besichtigungs-) Programm, fährt man weiter, hat man meist schon die Fahrt dafür organisiert, sich Gedanken um die nächste Unterkunft gemacht. Der Tag des Reiseendes ist in so weiter Ferne, dass man sich – nach einer gewissen Zeit – keine Gedanken mehr darüber macht. Unterwegs sein wird zum Alltag.

Neun Jahre später. Die Idee, eine große Reise noch einmal zu machen, gibt es – spätestens – seit dem erwähnten Tag in Bangkok…

Eine solche Reise macht man allerdings nicht mal ebenso. Sie erfordert doch eine etwas andere Vorbereitung und Planung. Das fängt mit der Auswahl des Ziels an und endet noch lange nicht mit der Frage, wie man sich für mehrere Monate von seinem normalen Leben verabschiedet und das ganze finanziert.

Fangen wir mit der Auswahl des Ziels an – das ist am einfachsten…  Südamerika. Einmal quer durch.

Südamerika

Südamerika (Quelle: Wikipedia)

Start in Kolumbien (oder erst in Ecuador?). Peru und Bolivien. Chile. Argentinien. Viel, sehr viel. Und „ergänzende“ Ideen habe ich auch noch – die Osterinseln, Uruguay und Brasilien, einen Abstecher in die Antarktis… Eine Rückkehr durch die Südsee…

Ein bisschen verrückt, oder? Ich kenne da jemanden, die immer behauptet hat, dass nicht die Erbsenzähler die Welt verändern, sondern die Phantasten… Also, die Welt möchte ich gar nicht so sehr verändern, nur sie bereisen.

Was schaut man sich auf einer Reise quer durch Südamerika alles an? Die Galapagos-Inseln, Machu Picchu, der Titicaca-See, der Nationalpark Torres del Paine in Chile, die Iguazú-Wasserfälle, Patagonien, die Strände Rios, …

Was lässt man weg? Wie reist man unterwegs? Macht man Sprünge mit dem Flugzeug? Wohin fährt man lieber selbst, wo ist es einfacher öffentlich zu fahren? Hat jemand ein Allradfahrzeug vor Ort, dass er weiter vermieten möchte? Vielleicht zur Rückführung?

Und wie kommt man überhaupt hin? Klar, mit dem Flugzeug. Aber was ist ein günstiges Ticket für die lange Aufenthaltsdauer? Als Gabelflug? Oder für Round-the-World?

Wo übernachten? Und die Fahrt in die Antarktis ist – nach allem, was ich bisher gehört habe – sehr teuer. Gibt es günstige Alternativen? Wann und wo buchen?

Während sich meine bisherigen Artikel im Reiseblog stets auf vergangene Reisen bezogen haben, geht es hier um eine Reise in der Zukunft. Bei allem Vorlauf, die gerade solch eine Reise braucht, sogar um eine Reise in einer zumindest etwas ferneren Zukunft. Aber Suchen braucht Zeit. Die Suche nach Antworten auf die gestellten (und sicher noch auftauchenden) Fragen. Auch die Suche nach einer Person, die mich auf solch einer Reise begleiten könnte.

Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.

Chinesisches Sprichwort.

Er ist hiermit getan.

In eigener Sache (1)

Inzwischen ist der Fotobewettbewerb vorbei. Es hat nicht ganz gereicht… Trotzdem vielen Dank an alle, die mich in den vergangen Monaten mit Ihrer Stimme unterstützt haben!

Jürgen

 

Liebe Leserin, lieber Leser, ich bin auf Deine Unterstützung bei einem Fotowettbewerb angewiesen!

Mit dem folgenden Bild nehme ich an diesem Fotowettbewerb teil:

Suq in Aleppo

Suq in Aleppo

Was ist zu tun:

  1. Auf den Link (Fotowettbewerb) klicken.
  2. Jetzt werdet ihr nach Geburtsdatum und Land gefragt wird. Bitte füllt das aus (es geht nur darum, dass die Abstimmenden älter als 18 sind).
  3. Nun klickt ihr nochmals auf den Link (Fotowettbewerb)! Jetzt müsste das oben gezeigte Bild „The Suq of Ancient Aleppo“ erscheinen.
  4. Und das wichtigste zuletzt: Rechts oben auf das gelbe „vote“ klicken.
  5. Gefällt euch das Bild so richtig gut, dann schickt den Link von dieser Seite an alle weiter, die ihr so kennt! 🙂
    http://www.erde-in-bildern.de/reiseblog/allgemein/in-eigener-sache-1/

Ein bisschen kompliziert… Aber doch machbar. 🙂

Und warum das alles??

Meine Erfahrung mit Schottland hält sich in Grenzen. Um es genau zu nehmen war es nur ein Tag, an dem ich bisher in Schottland war. Und an diesem Tag regnete es mehr oder weniger von morgens bis abends. Warum ich denn überhaupt für einen Tag in Schottland war? Ganz einfach, es war das Jahr 1985 und ich war mit dem Interrail-Ticket unterwegs durch Europa. Für die Tour waren zwei Tage in London vorgesehen. Und um in den Genuss ausführlicher Nachtzugfahrten zu kommen, ging es zwischen dem ersten und zweiten Tag London für einen Tag nach Schottland.

Jetzt bietet sich die Gelegenheit wieder nach Schottland zu kommen. Ok, im Zeitalter des Flugzeuges bietet sich diese Gelegenheit ja fast jeden Tag. Das besondere an dieser Gelegenheit ist aber, dass es sich um eine gesponserte Reise handelt! Wie schon zu vermuten, hat das aber auch einen Haken. Man muss zuerst den genannten Fotowettbewerb gewinnen…

Dafür muss man beim freien Voten (neu-deutsch für Abstimmen…) es unter die ersten 10 Bilder schaffen (was ja mit Hilfe der Unterstützung durch meine Leser kein Problem sein sollte!). Und dann wählt eine Jury unter den 10-am-Besten-Gevoteten noch das Gewinnerbild aus (was wiederum bei DEM Bild auch kein Problem sein sollte…).

Vielen Dank für Deine Unterstützung!!

Jürgen

Andalusien

Flughafen München. Der Abflug des Air Berlin-Fluges nach Málaga wird schon zum zweiten Mal um eine Stunde verschoben. Waren die Probleme beim ersten Mal noch von „allgemeiner Natur“, sind sie jetzt konkreter, die Befestigung einer Notrutsche macht Zicken. Ein Grund sich Sorgen zu machen? Wohl eher nicht… Ein Flugausfall am eigenen Geburtstag? Das geht nicht.

Der etwas holprige Beginn der Reise setzt sich nach der Landung in Málaga fort. Langes Warten auf das Gepäck, völlig unnötige Schwierigkeiten beim Auffinden der Mietwagenfirma (die alte Weisheit, dass, wer lesen kann, sich klar im Vorteil befindet, hatte hier mal wieder seine Berechtigung…) und zu guter Letzt der Umstand, dass es eine auf der Karte eingezeichnete Autobahn in der wahren Welt noch gar nicht gibt.

Erstes Ziel ist der Felsen von Gibraltar. Da gerade kein Flugzeug startet oder landet, geht der Grenzübertritt schnell. Was der Grenzübertritt mit einem Flugzeug zu tun hat? Die Straße von Spanien nach Gibraltar verläuft quer über die Start- und Landebahn. Und wenn eben ein Flugzeug starten oder landen will… Eben.

The Rock Hotel in Gibraltar

The Rock Hotel in Gibraltar

In (oder auf?) Gibraltar ist alles very british, von der Steckdose bis zum Geld. Überlegungen der britischen Regierung im fernen London, Gibraltar an Spanien zurückzugeben, findet in der lokalen Bevölkerung nicht wirklich viel Zustimmung. 2002 stimmten 99 % der Abstimmenden für einen Verbleib unter britischer Herrschaft. Den Hinweis, die Fenster im Hotel bei Abwesenheit geschlossen zu halten, versteht man schnell. Selbst rund ums Hotel wimmelt es von Affen. Die auf Gibraltar lebenden Berberaffen sind die einzigen freilebenden Affen in Europa.

Von Gibraltar geht es nach Sevilla. Die andalusische Hauptstadt ist die einzige Stadt Andalusiens, die ich schon einmal besucht habe. 1992, anlässlich der Weltausstellung, als Abstecher einer Portugal-Reise. Das alte EXPO-Gelände macht jetzt aber einen teilweise ziemlich heruntergekommenen Eindruck. Ansonsten ist die Stadt eine strahlende Schönheit.

Hotel Monte Triana in Sevilla

Hotel Monte Triana in Sevilla

Das gilt auch für Granada, die nächste Station der Rundreise. In schwüler Hitze geht es zu Fuß hinauf zur Alhambra. Erinnerungen an Marrakesch machen sich dort breit. In der Altstadt Granadas die fast völlig von Häusern eingepferchte Kathedrale.

Hotel Hesperia in Granada

Hotel Hesperia in Granada

In der Hügellandschaft zwischen Granada und Córdoba liegt das Städtchen Priego de Córdoba, eines der weißen Dörfer Andalusiens.

Die Mezquita de Córdoba war nicht nur die Hauptmoschee des maurischen Spaniens, sie ist auch der größte Moscheebau Europas. Oder besser war. Denn seit der Reconquista ist sie eine katholische Kathedrale. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Kirche in den Gebetssaal der Moschee hineingebaut.

Hotel Eurostars Maimonides in Córdoba

Hotel Eurostars Maimonides in Córdoba

Wie schon in den beiden Jahren zuvor, gibt es auch dieses Mal während meiner „Geburtstagsreise“ ein Konzert. Nach Bruce Springsteen 2008 im Camp Nou in Barcelona und U2 bei ihrem Heimspiel 2009 im Dubliner Croke Park ist es 2010 Mark Knopfler in dem eher beschaulichen Ambiente der Stierkampfarena von Córdoba. Obwohl der Auftritt in Córdoba eines der letzten Konzerte seiner Get Lucky-Tour ist, machte sowohl der Meister selbst als auch seine Mitstreiter einen spielfreudigen Eindruck. Allerdings war die Set List im Vergleich zu früheren Konzerten der Tour leicht gekürzt. Eher grenzwertig war allerdings der Krach, Konzertbesucher in Spanien unterhalten sich ständig und lautstark, was gerade bei ruhigen Passagen doch schon mal gewaltig nervt. Das gelegentlich auftretende Publikumszischen löst immer nur ein kurzes Schweigen aus. Auch die vor Konzertbeginn ausgesprochene Bitte keine Blitzlichter beim Fotografieren zu nutzen wird völlig ignoriert. Ein wahres Blitzlichtgewitter geht anfangs durch die Arena – wann sagt den Leuten endlich mal jemand, dass der Blitz einer Kompaktkamera dann doch keine 30 Meter reicht? Bei aller Kritik, die Begeisterung des spanischen Publikums, besonders bei den Dire Straits-Klassikern Romeo and Juliet, Sultans of Swing und Telegraph Road, ist riesig und ansteckend.

Nicht nur in der Stierkampfarena herrschen heiße TemperaturenGuy Fletcher, Mark Knopflers Keyboarder seit Dire Straits-Zeiten, schreibt in seinem Blog von 46 Grad während des Bühnenaufbaus. In den von mir im Juli 2010 besuchten Orten Andalusiens sinkt die Temperatur erst nach Sonnenuntergang unter 30 Grad. Aber dies ist nicht wirklich eine Überraschung. Überrascht bin in vielmehr davon, dass Andalusien, zumindest in den Gebieten, die ich auf dieser Reise durchquere, einen verhältnismäßig grünen Eindruck macht. Ich hatte eine vertrocknete Landschaft erwartet. Die Berge sind voll von einer schier unendlichen Anzahl von Olivenbäumen. Und wenn es mal keine Olivenbaumplantagen gibt, dann eben Sonnenblumenfelder.

Hotel Posadas de España in Málaga

Hotel Posadas de España in Málaga

Der Abschluss der kleinen Rundreise durch Andalusien bildet Málaga: Baden an der Costa del Sol und ein abendlicher Blick vom Monte Gibralfaro auf die Stadt. Dazu ein Reisejubiläum. Genau 25 Jahre früher begann – nicht nur für mich – das Reisen durch europäische Länder auf dem Bahnhof in Donaueschingen mit der Abfahrt des Nachtzuges nach Paris.

Eine Andalusien-Reise besteht nicht nur aus dem Abklappern von Sehenswürdigkeiten und Fotografieren. Auch wenn mancher, der mich zu kennt, das denken mag… Nein, meine geliebten Gambas al ajillo gab es in diesen Tagen – glaube ich – jeden Tag, und abends dazu ein kühles Bier.  Die schon vorab gebuchten Hotels – immerhin mit 3 oder 4 Sternen dekoriert – waren überraschend günstig. Hochsommer ist wohl nicht die Hochsaison für anadalusische Städte. Aber wenn man die Mittagshitze meidet, ist es eine schöne Zeit dorthin zu reisen.

Europäische Kulturhauptstadt

Auf den ersten Blick würde ich Essen (und mit ihr das gesamte Ruhrgebiet) nicht unbedingt als erste Wahl für eine Europäische Kulturhauptstadt halten. Aber dem war im Jahr 2010 so. Was erwartet man von einer Stadt die einen solchen Titel trägt? Einen gewissen kulturellen Anspruch.

Mit der Kokerei und Zeche Zollverein besitzt die Stadt sogar ein Weltkulturerbe. Keine schlechte Voraussetzungen, könnte man meinen. Nur irgendwie bekommt man den Eindruck, man hat es niemandem vor Ort gesagt. Ein einfaches Beispiel: Abendführungen über das angestrahlte Zechengelände finden nur einmal (!) die Woche statt. Und um dies – und die Ausgebuchtheit der Tour – herauszufinden, fragt man am (immerhin besetzten) Infostand vor Ort nach, erhält dort eine Telefonnummer, ruft dort an und erfährt dann eben, dass der Termin in dieser Woche ausgebucht sei.

Zeche Zollverein Essen

Zeche Zollverein Essen

Überhaupt die Sache mit der Information. Wäre der Aufwand wirklich unbezahlbar, auf dem großen Gelände von Kokerei und Zeche ein paar Hinweisschilder aufzustellen, auf denen die Besucher informiert würden, was sie denn sehen? Nicht jeder kann mit den vorhandenen Stahlungetümen von Haus aus etwas anfangen.

Und die zahllosen Baustellenabsperrgitter? Gehören diese zum Kulturobjekt? Für ein Weltkulturerbe und eine Europäische Kulturhauptstadt ist das alles ziemlich unwürdig. Dass einem dann mitten in der abendlichen Fotosession auch noch die Beleuchtung abgedreht wird, war dann wohl einfach Pech.

Dass es besser geht, zeigt der Landschaftspark Nord in Duisburg. Das dortige ehemalige Hüttenwerk ist hervorragend mit Wegen erschlossen. Der riesige Hochofen bis zur Spitze erklimmbar. Hinweisschilder beschreiben viele Details der Anlage. Hier ist Industriekultur spürbar und macht auch Spaß.

Aber noch einmal zurück nach Essen. Die Lichtburg, ein Kino in der Innenstadt, wirbt für sich als größter Kinosaal Deutschlands, 1250 Plätze. Das mag auch so sein. Allerdings ist er wohl auch der größte leere Kinosaal Deutschlands. In der Freitagabend-Spätvorstellung des am Tag zuvor angelaufenen Films Robin Hood verlieren sich gerade mal 10 oder 15 Besucher.

Und auch das gerne vom Ruhrgebiet gepflegte Image, Deutschlands Fußball-Hauptstadt zu sein, hält der Realität nicht völlig Stand, zumindest nicht in Essen. Es ist Samstagabend. In Berlin findet das deutsche Pokalendspiel zwischen Bayern München und Werder Bremen statt. Und ich suche eine Fußballkneipe in Essens Innenstadt. Die erste Empfehlung lautet, man solle doch nach Dortmund fahren, dort gäbe es Fußball in jeder Kneipe (das erinnert mich an „Was ist das beste an Stuttgart? – Die Autobahn nach München“). Ein toller Rat 20 Minuten vor Spielstart! Was ist los mit Essen?? Letztendlich sehe ich das Spiel in der Kneipe Der Löwe. Es handelt sich um eine Wirtschaft, die völlig von der Münchner (!) Löwenbräu-Brauerei geprägt ist! Bayerisches Bier und bayerische Gerichte. Und das mitten im Herz des Ruhrgebiets! Egal, der FC Bayern gewinnt 4:0 und ich bin zufrieden.

P.S.: Sehenswert sind die erwähnte Zeche und Kokerei Zollverein trotzdem. Auch Park und Villa Hügel mit anschließendem Baldeneysee.

Am Rande erwähnt (3) – Deep Purple und ich

Die Erkenntnisse eines Wochenendes im November 2010:

  1. Roger Glover kann Bass spielen.
  2. Child in Time ist und bleibt einer der größten Rock-Songs aller Zeiten – auch (oder vielleicht gerade), wenn es in einer klassischen Konzerthalle gespielt wird.

Punkt 1 überrascht nicht wirklich, sollte man meinen, schließlich ist Roger Glover über 40 Jahre Bassspieler, davon die meiste Zeit bei Deep Purple. Zusammen mit Schlagzeuger Ian Paice bildet er die wohl beste Rythmn Section der Rockgeschichte (die eine oder andere Bewertung in diesem Beitrag könnte eventuell – zumindest etwas – subjektiv eingefärbt sein). Nur, was vor nicht allzu langer Zeit (Band-historisch betrachtet) begann, war, dass Roger plötzlich live Solos spielt, ein Vorrecht, dass Jahrzehnte der Gitarre und dem Keyboard bei Deep Purple vorbehalten war. Und was er an diesem Novemberabend in der Mitte des Zugabenteils in der Münchner Olympiahalle bot, hat mich vom (wenn auch imaginären) Hocker gehauen.

Zu Punkt 2 komme ich später. Erst ein Blick zurück. Weit zurück. Ok, relativ weit zurück…

Meine Jugendzeit war – rein musikalisch betrachtet – reichlich indifferent (um es mal vorsichtig auszudrücken). Das Radio lief – oder auch nicht. Die Platte, die mein musikalisches Leben verändern sollte, war Perfect Strangers, mit dem Deep Purple in ihrer legendären Mark 2-Besetzung (Ritchie Blackmore, Ian Gillan, Roger Glover, Jon Lord und Ian Paice) 1984 ihre Rückkehr feierten. 1976 hatte sich die Band – d.h. das, was von ihr zu diesem Zeitpunkt noch übrig war – aufgelöst.

Meine erste eigene Platte (zu einem eigenen Plattenspieler sollte ich es allerdings nicht mehr bringen…) war dann aber nicht Perfect Strangers (das hatte ich schon auf Cassette, noch so ein Medium das im MP3-Zeitalter kaum noch einer kennt), sondern Greatest Purple, ein Doppelalbum mit den Band-Höhepunkten aus den 1960er und 1970er Jahren. Um es kurz zu machen, ich hatte meine Lieblingsband gefunden (und bis heute behalten – auch wenn sich mein musikalisches Spektrum im Laufe der Zeit noch ausweiten sollte…).

Live sollte ich Deep Purple erst im Rahmen der House of Blue Light-Tour sehen. Stuttgart, Schleyerhalle, 18. Februar 1987. Schon Wochen vorher fieberte ich auf den Termin hin. Ziemlich früh war ich dort, um einen (Steh-) Platz weit vorne zu bekommen.

Deep Purple Stuttgart 1987

Deep Purple Stuttgart 1987

Die Vorgruppe war überstanden. Bühnenumbau. Dunkelheit. Die ersten Trommelschläge von Highway Star. Ich glaube, ich bin den Rest des Abends nur mit offenem Mund dagestanden.

Noch im Sommer des gleichen Jahres sah ich Deep Purple das zweite Mal, dieses Mal als Headliner des Monster of Rock-Open Air-Festivals in Pforzheim. Langes Warten in drückender Hitze bis zum Höhepunkt des Tages, der mit Smoke on the Water zu später Stunde ein Ende fand.

1988 brachte eine neue Herausforderung mit sich. Eine Deep Purple-Tour, die nur Konzerte im Norden Deutschlands beinhaltete. Heute setzt man sich an den Rechner, besucht eine Ticketseite wie eventim im Internet, klickt ein paar Mal drauf rum und schon hat man ein Ticket für irgendwo in der Welt. In der alten Welt von 1988 musste man sich erst alle Informationen durch Telefonanrufe besorgen (erinnerst sich noch jemand an die Telefonpreise von vor 20 Jahren? 10 Mark für ein Ferngespräch, abends nach 18 Uhr…). Egal, das Ticket war irgendwann da. Und es konnte nach Köln gehen.

Deep Purple Köln 1987

Deep Purple Köln 1987

Ohne Plan für die Übernachtung blieben wir – ein Studienfreund und ich – nach dem Konzert noch vor der Halle stehen. Und wurden – weit nach Mitternacht – mit Small Talk und Autogrammen belohnt! Ian Gillan, Roger Glover und Jord Lord haben sich bei dieser Gelegenheit auf meinem Ticket verewigt (das ich für den obigen Scan zum ersten Mal seit Jahrzehnten aus seinem Bilderrahmen geholt habe!). Da das Parkhaus der Veranstaltungshalle über Nacht schloss, fuhren wir noch auf den nächstgelegenen Autobahnparkplatz, um dort im Auto zu übernachten…

Bald nach dieser Tour kam der alte Streit in der Band wieder hoch, er endete damit, dass Ian Gillan durch Joe Lynn Turner, einem alten Kumpel Blackmores aus Rainbow-Zeiten, als Sänger ersetzt wurde. Die dabei entstandene Platte Slaves and Masters war ebenso wie der dazugehörende Liveauftritt (mit Burn als Opener, einer Nummer, die zu Gillan-Zeiten nicht gespielt werden konnte, weil sie aus Coverdale-Zeiten stammt – es solle niemand behaupten, dass die Bandgeschichte von Deep Purple einfach zu durchschauen ist!) nicht schlecht, aber Deep Purple ohne Gillan, da fehlte irgendetwas.

Diese Erkenntnis hatten wohl auch andere. Mit The Battle Rages On… ist die alte, d.h. die legendäre Mark 2-Besetzung wieder zusammen. Was folgt, ist eine Tour mit Höhen und Tiefen. Ich hatte das Glück bei einem Mega-Hoch dabei zu sein, dem Purple-Auftritt im September 1993 in der Stuttgarter Schleyerhalle.

Deep Purple Stuttgart 1993

Deep Purple Stuttgart 1993

Nicht nur meiner Meinung nach ist dies eines der besten Konzerte der Mark 2-Formation überhaupt. Und glücklicherweise durch CD-Veröffentlichungen (Live in Stuttgart 1993 bzw. Live Across Europe 1993) für die Nachwelt erhalten.

Live Across Europe 1993 enthält neben dem Stuttgart-Konzert auch ein späteres Konzert derselben Tour aus Birmingham. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Und die sich im Birmingham-Mitschnitt andeutende Nacht manifestiert sich schon bald. Ritchie Blackmore verlässt noch während der Battle Rages On-Tour die Band (und wird auch nie wieder zurückkehren).

Joe Satriani hat als Purple-Gitarrist nur ein kurzes Intermezzo. Keine Studioplatte entsteht mit ihm. Es bleibt bei Live-Auftritten. Richtig neues Leben kommt erst mit Steve Morse als Gitarristen in die Band. Neue Platten entstehen, unzählige Touren werden absolviert.

Zwei Konzerte sind mir aus der Steve Morse-Ära in besonderer Erinnerung geblieben.

Zum einen der Auftritt Deep Purples gemeinsam mit dem Romanian Philharmonic Orchestra (und weiteren Gästen) in der Münchner Olympiahalle im Herbst 2000, mit der Wiederaufführung des Concerto For Group And Orchestra aus dem Jahr 1969 . Wie sich erst im Nachhinein herausstellen sollte, war die Concerto-Tour auch schon fast der Abschied Jon Lords von Deep Purple. Er bildete zusammen mit Ian Paice die Konstante in der Besetzungsgesichte der Band. Sie waren immer dabei. Jetzt war aber für Lord Schluss, nicht im Streit wie bei Blackmore, er wollte vielmehr eigenen Projekten außerhalb der Band mehr Zeit widmen. Ersetzt wurde er durch Don Airey, einem in der Rockszene sehr bekannten und geschätztem Keyboarder (laut Wikipedia wirkte er an mehr als 200 Alben mit!).

Zum anderen das Konzert in einem Innenhof des Klosters Benediktbeuern im Sommer 2008. Nicht nur das äußere Ambiente war besonders, vielmehr war es der zweite Gitarrist bei Smoke on the Water: Notker Wolf, seines Zeichens der Abtprimas der benediktinischen Konföderation.

Die anderen Deep Purple-Konzerte stehen den genannten nicht nach, jedes einzelne brachte einen unvergesslichen Abend mit sich. Enttäuscht war ich nie! Vielleicht fehlte mal der eine oder andere Song, den man gerne gehört hätte… Woman from Tokyo oder Speed King beispielsweise – und zu Child in Time komme ich ja noch…

Deep Purple München 2010

Deep Purple München 2010

Jetzt war also Deep Purple-Konzert Nummer 19 an der Reihe, wiedermal in der Münchner Olympiahalle. Damit bin ich wieder ganz am Anfang dieses Berichtes. Die Sache mit Roger und dem Bass…

Aber noch nicht ganz am Ende. Denn an diesem steht Child in Time. Wie es der Zufall so wollte, spielte an einem Wochenende im November 2010 nicht nur Deep Purple, sondern auch Jon Lord live in München. Die Auftrittsorte konnten dabei unterschiedlicher nicht sein, da die Olympiahalle, hier die Philharmonie im Gasteig.

Angekündigt wird der Abend als „Jon Lord in Classic„. Allein auf der Bühne ist Jon allerdings nicht, er wird vom Deutschen Filmorchester Babelsberg unter Leitung von Scott Lawton, der Band Demon’s Eye sowie den beiden Sängern Steve Balsamo und Kasia Laska begleitet. Diese Besetzung ist nicht nur ein Versprechen, sie übertrifft alles, was ich von dem Abend erwartet hatte.

Jon Lord München 2010

Jon Lord München 2010

Mit den Worten „It’s always the guitarist“ – der Konzertauftakt durch den Demon’s Eye-Gitarristen stockte – hatte Jon die Lacher auf seiner Seite (wer sollte dabei nicht an den alten Ärger mit Blackmore denken). Was folgte war die komplette Aufführung des oben schon erwähnten Concertos. Im Gegensatz zu meinem ersten Live-Erlebnis nun auch noch in passender Umgebung! In der zweiten Konzerthälfte ging es mit dem Machine Head-Klassiker Pictures of Home weiter. Im Anschluss die Höhepunkte aus Lords umfangreichen Soloschaffen (auch wenn ich nicht gerade der Klassik-Fan schlechthin bin, Pictured Within oder Sarabande finde ich wunderschön).

Als ich dachte, dass der Abend mit Soldier of Fortune (aus dem Purple-Album Stormbringer) seinen Höhepunkt erreicht hätte, kamen drei (!) Töne aus Jon Lords Hammond-Orgel, die mir fast die Tränen in die Augen trieben. Der Anfang von Child in Time. Was ein magischer Moment! Deep Purple selbst spielen die Nummer schon seit Jahren – wohl aus stimmlichen Gründen – nicht mehr. Meine Begeisterung in den nächsten zehn Minuten kannte keine Grenzen mehr.

Long Live Rock ’n‘ Roll!

P.S.1: Sommer 2012. Auch mit Jon Lord wird es Child in Time live nicht mehr geben. Jon verstarb im Alter von 71 Jahren.

P.S.2: Jahresbeginn 2013. Deep Purple kündigen ein neues Studio-Album an. Und weitere Konzerte.