Das wohl ungewöhnlichste Land meines bisherigen Reiselebens ist Kuwait. Ohne einen gewissen Zufall wäre ich wahrscheinlich auch nie dort hin gekommen.
Nach dem Entschluss im Winter 2001/2002 eine längere Reise nach Südostasien zu machen, ging es (neben vielen anderen) um die Frage, wie kommt man dort hin und wieder zurück. Und das möglichst kostengünstig. Erstaunlicherweise steigen die Flugpreise rapide, wenn man Flüge sucht, die nicht nicht nur die üblichen drei oder vier Wochen Urlaubszeit abdecken. Das günstigste Angebot war letztendlich von Kuwait Airways – von Frankfurt über Kuwait nach Bangkok und zurück.
Neben dem reinen Flug bot Kuwait Airways auch die Möglichkeit eines Stop Overs in Kuwait an, zusammen mit einer relativ günstigen Übernachtungsmöglichkeit. Gesagt, getan. Wir buchen den Flug bei Kuwait Airways einschließlich eines dreitägigen Aufenthaltes in Kuwait. Anfang November 2001 geht es in Frankfurt los. Kurz vor Mitternacht kommen wir in Kuwait an. Quasi mit persönlicher Betreuung werden wir durch die Zoll- und Einreisekontrolle geleitet.
Ist nicht besonders schwierig, wir scheinen die einzigen westlichen Reisenden zu sein, die in Kuwait aussteigen. Ein Fahrer wartet schon, um uns in unser Hotel, das Oasis, zu bringen.
Das Oasis ist für kuwaitische Verhältnisse eher einfach, für die Unterkünfte, die wir in Südostasien in den Monaten danach haben werden, aber luxuriös. Auch im Hotel scheinen wir die einzigen Nicht-Araber zu sein.
Auf dem Dach des neben dem Oasis gelegenen Gebäudes befand sich eine Siemens Mobile-Werbetafel. Dass ich nach der Rückkehr von der Asien-Reise für Siemens Mobile arbeiten würde, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Am nächsten Morgen wollen wir Kuwait-City erkundigen. Als wir das Hotel verlassen, merken wir erst, wie heiß es draußen ist, im Hotel war natürlich alles klimatisiert. November ist zwar auch in Kuwait ein Wintermonat, aber was bedeutet schon Winter, wenn es draußen auf 40 Grad zusteuert. Über die Frage, was dann Sommer bedeutet, sehe ich in diesem Augenblick hinweg. Interessanter ist die Frage, wie kommen wir an Bargeld.
Wir gehen zur nächsten Bank. Die Geldautomaten verweigern sich unseren Kredit- und EC-Karten völlig. Und am Schalter bekundet man uns, dass sie Bargeld, auch wenn es sich um deutsche Mark oder amerikanische Dollar handelt, nicht wechseln können. Uns wird empfohlen in die Altstadt zum Exchange Square zu gehen. Die Altstadt ist wohl organisiert, es gibt Straßen für dies und Straßen für das. Und es gibt den Exchange Square für Geldgeschäfte. Da, wo in anderen Geschäften Schuhe oder Werkzeuge in den Auslagen liegen, da liegen am Exchange Square Geldstapel hinter den Schaufenstern!
Noch haben wir aber keine kuwaitischen Dinar. Als wir 50 D-Mark in einem der „Geldgeschäfte“ umtauschen wollen, werden wir belächelt. Hier werden normalerweise ganz andere Summen getauscht. Mit Kleinbeträgen – und dazu gehören 50 Mark – gibt man sich nicht ab. Irgendwann erbarmt sich einer und tauscht uns unsere „Kleinsumme“. Wir sind glückliche Besitzer von gut 20 Dinar! Und – aber das nur am Rande – stellen fest, dass der kuwaitische Dinar eine sogenannte Tausenderwährung ist, d.h. ein Dinar teilt sich in 1000 Fils.
Nach so viel Stress und noch mehr Hitze ziehen wir uns erst mal in die Kühle des Hotels zurück. Erst am späten Nachmittag wagen wir einen erneuten Aufbruch.
Insgesamt haben wir drei Tage für Besichtigungen Zeit. Und allzu viel gibt es nicht zu sehen. Reisen ins Umland – wenn sie überhaupt möglich wären – müsste man mit Hilfe eines Taxifahrers selbst organisieren, eine wie auch immer geartete Tourismus-Infrastruktur ist nicht vorhanden. Sieht man überhaupt einmal einen Westler auf den Straßen, so scheint es sich um einen Angehörigen eines in Kuwait Arbeitenden zu handeln. Kurz nach 13 Uhr kommen wir zum Nationalmuseum. Zu spät für diesen Tag, es hat um 13 Uhr geschlossen. Ein Mann in traditionellem weißen Gewand und aus dem Museum kommend, der uns – leicht frustriert vor besagtem Museum sitzend – sieht, fragt uns, ob er uns ein Stück in seinem Auto mitnehmen könne. Gerne nehmen wir das Angebot an und lassen uns zu den Kuwait Towers, der Hauptsehenswürdigkeit Kuwaits, fahren. Unsere Fahrer freut sich, westlichen Touristen bei der Besichtigung „seiner“ Stadt weiterhelfen zu können. Von der Aussichtsplattform der Kuwait Towers hat man einen schönen Blick auf die Stadt und den Persischen Golf.
Am nächsten Morgen sind wir zurück im Nationalmuseum und treffen unseren „Fahrer“ vom Vortag wieder. Er ist Chef der einzigen intakten Museumsabteilung und freut sich uns wiederzusehen. Ein Großteil des Museums wurde von irakischen Truppen während des Zweiten Golfkrieges 1990/91 bei der Besetzung Kuwaits zerstört und bis November 2001 nicht wieder aufgebaut. Wir sind die einzigen Besucher im Museum, wahrscheinlich nicht nur in dieser Stunde, wahrscheinlich auch an diesem Tag und in dieser Woche…
Zur Mittagszeit sind wir zurück im Hotel, wir müssen auschecken. Denken wir zumindest. Da der Flug erst spät abends geht, dürfen wir unser Zimmer noch den restlichen Tag behalten. Kurz vor Mitternacht endet mein erster und bisher einziger Besuch in Kuwait, der Flieger startet nach Bangkok.
Ein Land ohne Touristen kannte ich bisher nicht. Zugegebenermaßen bot Kuwait – um die Jahrtausendwende herum – touristisch nicht wirklich viel. Für einen Zwischenstopp fand ich es aber lohnenswert. Es war eine völlig andere Welt und bot einen – wenn auch sehr oberflächlichen – Einblick in die arabische Kultur. Die Menschen – allen voran unser Museumsmitarbeiter und die Hotelangestellten – waren immer hilfsbereit. Zumindest, so weit es ging. Mit den Bedürfnissen von Touristen beispielsweise waren sie in unserem Hotel völlig überfordert.
Erst viele Jahre später kam ich bei einer Reise nach Syrien, Libanon und Jordanien wieder in diese Gegend der Welt. Dort war man als Reisender auch nicht mehr allein.