Das Reiseblog-Update zu Interrails 50. Geburtstag 2022.
Ursprünglich habe ich die Interrail-Artikelserie Interrail – Die Erste, Interrail – Die Zweite und Interrail – Die Dritte im Jahr 2010 zum 25. Jahrestag meiner ersten Interrailreise 1985 veröffentlicht.
Donaueschingen – Paris – Dünkirchen – Dover – London – Aberdeen – Edinburgh – Glasgow – Edinburgh – Dundee – London – Dover – Dünkirchen – Paris – Lyon – Bordeaux – Arcachon – Bordeaux – Paris – Versailles – Paris – Monaco – Antibes – Genf – Brig – Bern – Brig – Rom – Pescara – Guilanova – Pescara – Rom – Pisa – Neapel – Pompeji – Neapel – Paola – Rom – Verona – Venedig – Bologna – Brixen – Guilanova – Foggia – Bologna – Florenz – Pisa – Florenz – Innsbruck – Salzburg – Wien – Innsbruck – Brenner – Innsbruck – Bregenz – St. Magrethen – Sargans – Zürich – Schaffhausen – Donaueschingen
Donaueschingen – Singen – Schaffhausen – Zürich – Bern – Brig – Zermatt – Brig – Bern – Zürich – Schaffhausen – Singen – Donaueschingen
17388 Kilometer
Die Deutschlandtour mit dem Tramper-Monats-Ticket 1984 war der Anfang meiner großen Bahnreisezeit. Drei Interrail-Touren in der Zeit zwischen 1985 und 1988 sollten folgen. Über die erste dieser Reisen soll es hier gehen.
Ende Juli 1985. Montag ist mein 18. Geburtstag. Mittwoch der letzte Tag in der 12. Klasse. Freitagabend die Abfahrt in Donaueschingen. Ziel: Paris.
An einem Freitagabend mit einem Nachtzug in Richtung Paris die Reise zu starten ist nicht die allerbeste Idee. Zumindest dann nicht, wenn der Startort eine große französische Garnision beheimatet. Wir – zwei Freunde und ich – teilen uns den Zug mit einer Unzahl französischer Soldaten auf Wochenendurlaub.
Das wichtigste Gepäckstück ist neben dem Fotoapparat der wirklich geniale Europafahrplan der Bundesbahn mit allen wichtigen europäischen Zugverbindungen außerhalb Deutschlands.
Das Budget für die dreiwöchige Tour (für die zweiten 3 Wochen der Sommerferien hatte ich einen Ferienjob in Aussicht) ist knapp kalkuliert: 15 D-Mark pro Tag. Davon muss neben dem täglichen Essen (ergänzt durch eine große Salami, die ich zu Hause mitgenommen und im Rucksack dabei habe) alle anderen anfallenden Kosten bezahlt werden, d.h. Dinge wie Eintrittsgelder oder U-Bahn-Fahrkarten. Geld für Übernachtungen ist nicht eingeplant.
Auch das Fotomaterial ist streng limitiert. Durchschnittlich nur einen Film darf ich pro Tag verwenden (für die in der Digitalzeit groß Gewordenen: das sind gerade mal 36 Bilder pro Tag). Jede Aufnahme muss wohl überlegt sein. Oder sollte es zumindest. Und das auf einer Reise, während der ich zum ersten Mal in Paris, London, Rom und Wien sein werde. Aber es geht. Mit 20 belichteten Filmen werde ich nach Hause zurückkommen.
Paris bedeutet nicht nur eine große unbekannte Stadt, es bedeutet auch den ersten Geldwechsel. Und viele weitere sollten noch folgen, denn der Euro ist noch ein unbekanntes Wesen.
Nach dem Tag in Paris geht es abends weiter auf „die Insel“. Nicht durch den Eurotunnel, auch den gibt es 1985 noch nicht, sondern mit der Fähre. Die Nachtruhe wird dadurch zweimal unterbrochen, beim Wechsel vom Zug auf die Fähre in Dünkirchen, und wieder beim umgekehrten Wechsel in Dover. London empfängt uns am Morgen mit (in meinen Augen) typisch englischem Wetter, es regnet. Das hält mich und meine zwei mitreisenden Freunde aber nicht von der Stadtbesichtigung ab. Meiner Umhängetasche, in der sich neben der Fotoausrüstung, Reiseführer auch Essen (letzteres findet sich später dadurch leider auch in einem Objektiv wieder…) befindet, tut der Regen aber nicht gut. Sie zeigt Auflösungserscheinungen. In einer Behelfsmaßnahme tackere ich eine Plastiktüte in ihr Inneres.
Mit dem Regen wird es auch am nächsten Tag, jetzt in Schottland, nicht viel besser.
Der Regen findet erst – nach einem zweiten Tag in London – bei der Rückkehr nach Paris ein Ende. Zuvor nahm aber – auf der Fahrt von London zur Kanalküste – mein Kulturbeutel samt Inhalt unfreiwillig Abschied von mir. Ausgelaufenes Shampoo zwang mich den Kulturbeutel zu waschen. Zum Trocknen habe ich ihn dann auf die Gepäckablage plaziert, dort lag er – zusammen mit seinem Inhalt – allerdings auch noch, als ich schon in der Fähre auf dem Rückweg zum Festland war. Ein durchaus großer Verlust. Der Neukauf einer Zahnbürste in einer französischen Apotheke reißt ein großes Loch in die Kasse.
Von Paris gibt es nachmittags mit dem TGV nach Lyon, von dort weiter im Nachtzug nach Bordeaux (ein nächtliches Kartenspiel mit ein paar Asiaten im Zugabteil wird erst dann besser als wir merkten, dass „stäkke“ bedeutet, dass eine Karte stärker als eine andere ist).
Einem müden Tag in Bordeaux und an der Atlantikküste in Arcachon (einschließlich eines sehr kühlen Bades im Atlantik) folgt ein dritter Tag in Paris – einschließlich eines Besuchs von Versailles.
Nicht mit dem TGV bei Tag, sondern mit einem Nachtzug geht es ein weiteres Mal von Paris aus in den Süden Frankreichs. Genaugenommen ist gar nicht Frankreich das nächste Ziel, sondern das kleine Fürstentum Monaco.
Da Monaco nicht besonders groß ist, nutzen wir die Gelegenheit zu einem kurzen Badeaufenthalt in Antibes, nur ein paar Kilometer westlich. Badeaufenthalte sind immer gerne gesehen, nicht nur des Badens wegen. Sie bieten die Gelegenheit für eine gründliche Körperwäsche. An „normalen Tagen“ bleibt meist nur die Waschgelegenheit in den Zugtoiletten. Warum nicht in einer Unterkunft? Der Zug ist die Unterkunft!
Von Monaco aus geht es nach Italien! Allerdings mit einem kleinen Umweg über die Schweiz und mit einem Zwischenstopp in Genf.
Das Land der Lira. Der Regen ist vergessen. Erstes Ziel ist Rom, die ewige Stadt. Und dort steht natürlich auch der Vatikan auf dem Programm. Beim ersten Versuch kommen wir aber nicht allzu weit. Kein Einlass in den Petersdom in kurzen Hosen. Dieser Programmpunkt muss an einem zweiten Tag in Rom nachgeholt werden. Es bleibt aber genug auch in kurzen Hosen zu sehen.
Bis hier her haben wir jede Nacht mehr oder weniger im Zug verbracht – gelegentlich unterbrochen von einem nächtlichen Umstieg oder den Fähren nach und von England. Die nächste Nacht soll anders werden. Wir fahren abends auf „die andere Seite“ Italiens, an die Adria. Genaugenommen nach Guilanova. Es ist schon nach Mitternacht als wir dort ankommen. Am Strand finden wir sogar ein Stück Rasen. Totmüde legen wir uns hin und schlafen tief und fest. Auch noch morgens. Die Sonne ist schon lange aufgegangen. Um uns herum wird Fußball gespielt. Der Rasen ist der Teil eines Fußballplatzes. Dieser Tag bleibt besichtigungsfrei.
Abends geht es mit einer klassischen Interrailnacht erst zurück nach Rom, dann über Pisa nach Neapel – ja, Pisa liegt nicht auf dem direkten Weg, bringt aber viele Stunden in Zügen. Das Übernachten in den Nachtzügen ist in Italien aber oft eine Qual. Sie sind voll bis zum Anschlag. Bis zum Tag der Erkenntnis. Das Interrail-Ticket ist zwar eine Zweite-Klasse-Fahrkarte, aus den Gängen der ersten Klasse wird man aber auch nicht vertrieben. Ein Luxus! Nicht nur hat man im Gang der ersten Klasse Platz, um sich auszustrecken, sie sind auch mit Teppichen ausgelegt.
Neapel ist nur ein Zwischenstopp auf dem Weg zum eigentlichen Tagesziel Pompeji. Vor Neapel – wir haben fast zwei Stunden bis zur Weiterfahrt – haben wir aber ein großen Respekt. Die Kameras bleiben in den Taschen und werden nicht ausgepackt. Pompeji ist für mich als altem Lateiner – 1985 im Jahr dieser Reise steht mir das 9. und letzte Lateinjahr noch bevor – ein absoluter Höhepunkte der an Höhepunkten nicht gerade armen Reise. In Pompeji zeigt sich der Pragmatismus der Italiener. Da der Zug viel zu lang für den dortigen Bahnhof ist, hält er einfach zweimal. Erst steht die vordere Hälfte der Waggons am Bahnsteig, dann – nachdem der Zug ein Stückchen vorgefahren ist – die hintere Hälfte.
Es folgt der zweite Tag in Rom. Und dieses Mal sind wir dort in langen Hosen unterwegs, dürfen als auch in und auf den Petersdom. Später gibt es noch ein warmes Essen – eine Rarität auf dieser Reise -, ein Stück Pizza. Wenn ich mich richtig erinnere für 1000 Lire.
Venedig und ein weiteres Mal der Adriastrand in Guilanova folgen. Letzter dieses Mal nicht zur Übernachtung, sondern nur für einen weiteren Strandtag. Dieser Strandtag blieb nicht ganz folgenfrei, es gibt einen Sonnenbrand. Ohne Sonnencreme schlafe im auf dem Bauch liegend ein… Aber auch ein Sonnenbrand kann noch sein gutes haben. In der darauf folgenden Nacht werde ich durch ihn mitten in der Nacht geweckt. Es ist ruhig in unserem Abteil. Zu ruhig. Das wundert auch nicht. Unser Waggon steht auf einem Abstellgleis. Keiner hatte uns am Endbahnhof geweckt und aus dem Zug geschmissen. Wahrscheinlich hatte es der Schaffner nett mit uns gemeint.
Die beiden letzten Ziel in Italien sind Florenz und Pisa.
Vor der Rückkehr nach Hause geht es mit dem Besuch Salzburgs (einschließlich des James-Bond-Films „Im Angesicht des Todes“ abends im Kino) und Wiens noch nach Österreich.
Durch die österreichischen und Schweizer Alpen findet meine erste Interrail-Reise in Schaffhausen (dort lassen wir uns abholen) ihr Ende, zumindest fast.
Ein Besuch des Matterhorns (einschließlich des Aufstiegs zur 3260 Meter hochgelegenen Hörnlihütte) wird ein paar Tage später als Zugabe noch folgen.
Mehr – meistens aktuellere – Bilder zu den besuchten Ländern gibt es unter den folgenden Links:
- Frankreich,
- Großbritannien,
- Monaco,
- Schweiz,
- Italien und
- Österreich.